Am 27. Januar 2025 jährt sich zum 80. Mal die Befreiung der Gefangenen in den Vernichtungslagern Auschwitz-Birkenau. Nur noch ganz wenige Überlebende können davon aus eigenem Erleben erzählen. 80 Jahre sind eine lange Zeit, ein ganzes Menschenleben lang. Doch gerade da ich diese Zeilen vorbereite, müssen in Dresden rund 10.000 Menschen evakuiert werden, weil eine große Fliederbombe vom Februar 1945 gefunden wurde, 80 Jahre später. Wie lange wirken die Schrecken dieses Krieges mitsamt der Schreckensherrschaft in deutschem Namen nach!
Als ich im vergangenen Sommer wieder einmal in Auschwitz selber war, da überkam mich erneut ein beklemmendes Gefühl, allein schon wegen der Sprache, die mich als Deutschen ausweist. Die Führungen werden in zig Sprachen angeboten, für jede Sprache gibt es einen unterschiedlichen Aufkleber, den man sichtbar an seiner Kleidung anbringen sollte. Hätte ich mich anders gefühlt, wenn ich an der englischsprachigen Führung teilgenommen hätte? Ich weiß es nicht. Was ich jedoch schon meine zu wissen, ist: ein Besuch in der Gedenkstätte Auschwitz macht mit allen etwas. Niemand geht, ohne dass sie oder er nicht tief aufgewühlt und fassungslos ist.
Es waren viele Menschen an diesem Sommertag dort, im ganzen letzten Jahr über 1,5 Millionen, aus aller Welt. Manchmal denke ich dieser Tage, kämen doch nur noch viel mehr Menschen nach Auschwitz oder in eine der anderen Gedenkstätten! Die Orte sprechen für sich und mahnen uns alle, auch nach 80 Jahren! Ich bilde mir ein, wer einmal einen solchen Besuch gemacht hat, der weiß, wie unglaublich kostbar Freiheit ist und wie sehr wir uns dafür einsetzen müssen. Wir dürfen heute in einem freien Land leben, welch eine Gnade, aber auch welch eine Verantwortung. Sicher beides.
Der ungarische Shoa-Überlebende József Debreczeni veröffentlichte 1950 einen Bericht über seine Erfahrungen, als auch er dem „Amoklauf des Rassenwahns“, wie er es ausdrückte, nicht mehr entkommen konnte. Letztes Jahr (!) erschien sein Bericht unter dem Titel „Kaltes Krematorium“ erstmals auf Deutsch. Auf der letzten Seite dieses, Seite für Seite erschütternden Buches taucht das Wort Freiheit siebenmal auf. „Ja, Freiheit. Freiheit in allem und überall.“ Mit andachtsvoller Ehrfurcht lege ich das Buch zur Seite und denke sorgenvoll an die Gegenden, wo aktuell die Welt aus den Fugen geraten und die Freiheit auf der Strecke geblieben ist. Was hat die Welt wirklich gelernt? Was wir? Was ich?
Freiheit ist nicht selbstverständlich. Freiheit ist Gnade und Verantwortung, beides zugleich. Bleiben wir verantwortlich, um der Menschlichkeit und der Freiheit aller willen. Ja, aller!