Es gibt Wörter, die weisen auf ein großes Thema hin. Das Wort „Willkommenskultur“ beispielsweise. Ja, in diesen Wochen und Monaten versuchen wir, dieses Wort durchzubuchstabieren. Großartig, wie viele Menschen bei der Aufgabe mitmachen, eine Willkommenskultur für die Flüchtlinge zu gestalten. Die Not der Menschen, die zu uns geflohen sind, ist so unbeschreiblich groß, dass das Willkommen nun umso größer geschrieben werden muss. Das wissen und spüren immer mehr und das zeigt jetzt auch Wirkung auf die Politik.
Doch zum Bild, das sich dieser Tage in unserem Land bietet, gehören auch dunkle Schatten. Nicht überall leuchtet das Licht einer aus tiefer Überzeugung und schlichter Menschlichkeit gelebten Willkommenskultur.
Sorgen, Ängste keimen auf und wachsen sich hier und da zur Ablehnung von Flüchtlingen aus, auch unter uns, aber erst recht in etlichen Ländern Europas, die sich ganz gewiss als christlich geprägte Länder verstehen wollen. Und ich frage mich: War es eigentlich nicht das Christkind selber, das – kaum geboren – mit seinen Eltern fliehen musste und in Ägypten Asyl fand? War es nicht Christus, der später sozusagen ein Grundwort aller Willkommenskultur formuliert: „Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen.“ Und gar noch hinzufügt: „Was ihr einem von diesen meinen geringsten Geschwistern getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25, 35.40) Kann denn jemand, der oder die sich als Christ versteht, vom Beispiel Christi absehen?
Das Beispiel Christi wird in den Kirchen meistens mit vielen Wörtern dargestellt, aber in einigen wird es uns auch bildlich vor Augen gestellt. Ich muss an eine barocke Kirche denken, in der die Bilder nicht nur Geschichten erzählen, sondern Verhaltensweisen zeigen, die beispielhaft sind. Die Tugend der Besonnenheit ist dort abgebildet. Sie hält einen Spiegel in der Hand. Je länger ich sie betrachte, desto deutlicher wird mir, Besonnenheit ist mehr als nur ein altes Wort. Kann ich mit einem guten christlichen Gewissen in den Spiegel schauen?
Und wieder macht ein Bibel-Wort mir Mut: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ (2. Tim 1, 7)
Ein Wort, das mir gut tut.